Freitag, 18. März 2011

Sonnenschein mit vier Buchstaben.




Die Probezeit ist um. Wiki ist fast auf den Tag genau sechs Monate bei uns. Zeit für eine kurze Beurteilung seitens der Personalabteilung. Die ist sich im Wesentlichen einig: Was für ein großartiger kleiner Hund!

Wir erinnern uns. Monsieur wurde im zarten Alter von 12 Monaten im Tierheim abgegeben wegen fortgesetzter Renitenz, hyperaktiver Hibbeligkeit und gegen den Menschen gerichtete Aggression. 





Zur Renitenz ist zu sagen: Ja mei, es ist halt ein Terrier, ein halber. Ich habe noch selten einen Hund kennengelernt, der so nutzenorientiert durch den Tag bröselt wie dieser. Luna beißt schon mal in den sauren Apfel und erledigt missmutig Dinge, die ihr nicht passen. Wiki hingegen schmeißt sofort die Birne an. Jegliches Ansinnen wird einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Lohnt es sich für mich? Dann mach ich‘s! Wenn nicht, dann nicht. Was für seinen Menschen bedeutet: Bevor du diesen Hund herumkommandierst, überlege dir genau, wie du ihm diesen Vorgang lukrativ gestaltest. Ansonsten halte um Himmels Willen die Schnauze. 

Hibbeligkeit? Ja mei, es ist halt ein Terrier, ein halber. Ein Flummi, der aus dem Stand 1 Meter 25 hoch springt, braucht Beschäftigung. Nach 30 Minuten Beißwurst zerren (mit Rüdin) oder 20 Minuten Dummy stöbern (mit mir) oder 90 Minuten durchs Neandertal rasen (mit Fahrrad) kehrt auch mal innere Ruhe ein. Gut unterrichtete Kreise munkeln, er sei im Hause schon schlafend gesehen worden.

Seine Aggressivität gegen Menschen, für die Vorbesitzer wohl der ausschlaggebende Abgabegrund, ist bei genauem Hinsehen gar keine. Ich betrachte es als Fehlinterpretation seines ausgeprägten Hangs zur Ressourcenverteidigung. Woher das kommt? Ja mei...

Wiki verteidigt Beute mit jeder Faser seines großen, tapferen Herzens. In dieser Beziehung muss früher unglaublich viel schiefgelaufen sein. Ich will gar nicht wissen, wie oft man ihm Dinge auf die falsche Weise abgenommen oder ihn deswegen bedroht hat. Hat er einmal Beute gemacht und gesichert, erstarrt er zur Salzsäule und grollt, knurrt und fletscht die Zähne, sobald man sich ihm nähert. Gleichzeitig ist ihm so himmelangst, dass er pinkelt!

Je nachdem, welchen Wert die Beute in Wikis Augen hat, handhaben wir das auf dreierlei Art.

Beutetyp Classic
Beutewert: nullachtfuffzehn
Beuteart: Non Food
Taktik: Tauschen
Für Wurst spuckt er so gut wie jeden Non-Food-Artikel aus. Das Kommando Tauschen löst die Körperspannung auf Anhieb und verschiebt sie komplett in den heftig wedelnden Schwanz. Schuhe, BHs und Schreibgeräte bleiben unversehrt.

Beutetyp Gold
Beutewert: ganzganzwichtig
Beuteart: Food
Taktik: Kraulen
Ich setze mich über sein fürchterliches Knurren hinweg und kraule ihn so lange, bis aus dem Knurren Schnurren wird. Während dieses Vorgangs verbleibt das erbeutete Schulbrot zwischen den weißen Terrierzähnchen. Er muss es nicht hergeben. Er soll erstmal lernen, dass ihm in solchen Situationen keiner etwas tut. Wenn er mag, kann er nach einer Weile tauschen. Meistens mag er.

Beutetyp Platinum
Beutewert: Fragnichtnachsonnenschein
Beuteart:  Kotze
Taktik: Ignorieren
Bei Erbrochenem versteht der Knabe keinen Spaß. Für ihn ist das nur ein anderer Aggregatzustand von Gourmetküche. Außerdem hat es mal ihm gehört. Mir soll‘s recht sein. Soll er den Haufen doch bewachen und nach drei Minuten wieder auffressen. So scharf bin ich aufs Putzen nun wirklich nicht.

Luna begegnet diesem Ressourcencircus ganz entspannt. An ihre Sachen traut er sich nicht. Also kann das, was er da hat, nur etwas sein, worauf sie keinen Wert legt. Sie blinzelt kurz hin, nimmt ihre geringelte Mir-völlig-wurscht-Haltung ein und schnaubt.

Dass Kerle sich immer so aufblasen müssen...




© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2011

10 Kommentare:

  1. Ürgs, ich bin grad am essen...

    Also ich mag mir auchgar nicht vorstellen, was der arme kleine Kerl wohl erlebt haben muss, dass er sogar vor Angst pinkelt. Wie gut dass er nun Euch gefunden hat und Ihr mit viel Geduld und Verständnis zeigen könnt, dass er auch Vertrauen haben darf. Duke ist leider wohl auch geschlagen worden, wir haben das anhand einiger Situationen schlussfolgern müssen, aber (ich hoffe) er weiss, dass er bei uns sicher ist.

    Gestern hatte er übrigens seinen 8. Geburtstag und es gab 2 Wienerle zusätzlich zum Frühstück und Abends dann gekochte Rinderbeinscheiben !!!!!!!!!

    War ja sooo lecker und er hat den ganzen Abend seelig an den Knochen rumgezuzelt.

    Das wär auch mal eine Variante zum Futtern und zur Beschäftigung. Jedenfalls irgendwie appetitlicher als Kotze...

    In diesem Sinne: guten Appetit !
    Eve

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  2. Nun lese ich schon seit drei Tagen von und über eure Krawallmaus und täglich wird sie mir sympathischer. Dass sie aber den armen drangsalierten Wiki so bedingungslos abzeptiert, macht sie unwiderstehlich.
    Ich wünsche euch weiterhin viel Spaß mit euren beiden Süßen und werde den weiteren Verlauf eurer Hunde(nicht)erziehung mit Spannung verfolgen.

    Liebe Grüße
    Sandra mit der 4 Monate alten Hasenfußmischung (ja, auch unsere heißt so) "Fly".

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  3. @Sandra
    Von Nichterziehung kann selbstverständlich keine Rede sein. Ich werde täglich erzogen – und teilweise sogar mit Starkzwangmitteln! Man reißt mich an der Leine durch die Gegend und pinkelt an mein Fahrrad.

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  4. die krawallmaus macht spaß - ich habe zwei *schluck*

    letztens haben sie mir fast den hals gebrochen und das gemeinsame leben hätte ein ende gehabt ...

    auch so nette hündchen, die in sehr desolaten zuständen eingezogen sind. verhuscht, verängstigt, alles mit ver-.
    heute sieht das anders aus. die biester wissen es nun besser und rüsten täglich auf.

    jedenfalls letztens auf einem schwierigen, weil wildverseuchten, waldweg: ich in der irrigen annahme, wir werden den weg schon schaukeln, die damen in der realen annahme *mal sehen, was da kommt*.
    ich irrig leinen länger. die damen zuerst handzahm.
    dann kreuzt gut sichtbar ein hase. zwei hase. drei hase.
    zwei hunde rasten richtung vorwärts. allrad-modus selbstverständlich.
    meine schultergelenke knistern, mein schritt wird automatisch beschnleunigt, gleichzeitig straucheln meine füße, bleiben an einer vorwitzigen wurzel hängen, die arme nach vorne, den kopf nach hinten gerissen, hänge ich zwischen leinen und waldweg. meine halswirbelsäule knackt vielsagend. mir wird schwindlig. die damen nehmen davon keine notiz.

    als endlich wieder boden unter meinen füßen ist, denk ich bloß: ein glück, daß ich den rüden nicht dabei hab.

    in diesem sinne:
    krawallgrüße und fröhliches weiterleben ;)

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  5. Höre ich da etwa Klagen? Verdrehte Halswirbel, Schulterluxation, Schädel-, Hirn-und Schleuder-Trauma nehmen wir doch alle gern in Kauf. Hauptsache, unseren Hunden geht's gut und der Wald ist nicht kaputt gegangen.
    :o))

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  6. auf keinen fall klagen !

    selten war ich glücklicher. solches schreibt sich direkt in mein persönliches glückssternmomentetagebuch - unauslöschlich.

    auch hündinnenbegegnungen, wo eine vorbeigeschoben, gedrängt, weitergezogen und die andere praktisch am halsband vorübergetragen wird, werden notiert.

    gerne in kombination mit besagtem unserem rüden, der irgendwie fehlgepolt ist, und scharf drauf, die gegenerische hündin kennen zu lernen statt sich mit halsabschneid- und totenkopfgesten aufzuhalten.

    schlappe 100 kg zuglast in sternenmomenten.

    der wald ist ganz geblieben.
    ich lebe noch.
    die damen machen weiter so.

    außerdem: kein tag ohne sie. was wär das für ein hundeleben ?

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  7. ENDLICH was zu lesen gefunden, was mich wieder gelassener mit meiner Hündin umgehen lässt. Bis vor 2 Tagen (da kam "DAS BUCH" per Post in mein Haus)dachte ich völlig doof, unfähig, schlecht getimt und überhaupt...zu sein. Den alles Übel liegt bekanntlich am anderen Ende der Leine.
    Ich hatte aber schon immer den leisen Verdacht,wenn ich meinem Wölfchen in die hell-crazy Augen blicke,dass das nicht ganz stimmen kann. Sollen doch die Tausendsassas mit ihren Wunderhunden weiter rumimponieren. Mich berührt das nicht mehr.

    Danke,Danke,Danke:
    fürs Augenöffnen,
    fürs Trösten (jawohl)
    fürs hemmungslose Lachen beim Lesen.

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  8. Ach ja,
    noch soviel zu Hunderatgebern und Charlies (mein Hundemädel) Meinung dazu: http://tanjarous.blogspot.com/2010/09/ohne-worte.html#comments

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  9. Charlie scheint Bücher ja regelrecht zu verschlingen. :o)
    Die Fennell haben wir auch zweimal. Richtig geholfen hat's nicht.

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  10. So, nun hab ich gefunden, was ich verpasst hatte. Dass nämlich Wiki tatsächlich bei euch wohnt. Und wie könnte es anders sein, hab schon wieder lachen müssen, über diesen Bericht. Der Herr wird es gut bei euch haben und euch reich belohnen. :)

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