Sonntag, 10. April 2016

Herrchentrubel. Graue Schnauze, großes Glück.



Die turbulenten Zeiten sind vorüber. Jetzt wird es beschaulich, freut sich Herrchen, im Alter werden die Hunde bekanntlich ruhiger. Leider hat den Rabauken das keiner gesagt. 

Luna kriegt auch mit ihren umgerechnet 85 Jahren noch rekordverdächtige Tobsuchtsanfälle beim Anblick ihrer Artgenossinnen. Der liebe Wiki entwickelt über geklauten Würstchen und Büstenhaltern eine Beuteaggression, die selbst hartgesottenen Hundetrai­nern die Tränen in die Augen treibt. Kurz: Der Wahnsinn geht weiter – und Herrchen am Stock. 







Worum es in diesem Buch geht.

Der dritte Band der Herrchen-Trilogie beginnt mit der Erkenntnis, dass fuchsteufelswilde Hündinnen im reifen Alter nicht ruhiger, sondern noch fuchsteufelswilder werden, und endet mit der Überlegung, ob die leuchtende Regenbogenbrücke wohl breit genug ist, damit keiner runtersegelt und sich weh tut, wenn da oben die finale Schlägerei ausbricht.

Dazwischen flippt ein kleiner Rüde aus, weil ihm jemand seine Butterkotze stibitzen will; Herrchen demonstriert am Jaberg, wie man vibrierende Hundeseniorinnen vom Morden abhält, indem man sie in den Schwitzkasten nimmt; und gewaltfrei erziehende, glücklich über allem schwebende Hundetrainerinnen namens Gundula trällern Ankersignale in den Hildener Stadtwald, bis die Käuzchen von den Bäumen kippen.

Der Tapas-Stammtisch, der mittlerweile ein Haus weiter gezogen und zum Schweinshaxen-Stammtisch mutiert ist, gibt wie üblich seinen Düsseldorfer Senf dazu. In markanten Nebensätzen werden beim Alt die drängendsten Fragen der Hundeerziehung verwurstet. Auch die provenzalischen Campingplätze schlagen wieder die Hände über dem Kopf zusammen. Mit anderen Worten, wir befinden uns im Jahre elf der Hundeerziehung und stellen aufatmend fest: Irgendwie ist alles noch bei Alten.




Worum es in diesem Buch nicht geht.

Impfen, barfen, südosteuropäische Straßenhunde und Cesar Millan. Es gibt Fettnäpfchen, die betrete ich nach so vielen Jahren einfach nicht mehr. Wir werden nicht diskutieren, ob ein 4fach gemoppeltes, vegan wattiertes Komfortgeschirr zuverlässigere Führung erlaubt als das Kettenhalsband aus dem moralisch fragwürdigen Tierbedarfsgroßmarkt. Genau so wenig wollen wir wissen, ob man den laktoseintoleranten Schatz mit trockenen Demeterpellets füttern oder doch lieber mit frischer Katze barfen soll, und was passiert, wenn man dieses heikle Thema in Katzenforen diskutiert.





Wer in diesem Buch die erste Geige spielt.

Ich nicht! Der Hundehalter an sich ist zweitrangig und wird in seiner Bedeutung völlig überschätzt. Seine albernen Befindlichkeiten können großzügig vernachlässigt werden, solange er gut zu Fuß ist und noch so tadellos hört, dass er dem Runter-vom-Sofa-Knurren seiner Hunde unverzüglich Folge leistet. Falls ihr euch jetzt – in meinen Augen zu Recht, aber ich kann da leider wenig machen – nicht ausreichend gewürdigt fühlt, reicht eure Beschwerde auf der Facebookseite meiner Hunde ein. Versucht bitte, einen Ochsenziemer beizulegen, sonst wird euer Anliegen nicht bearbeitet.

Die erste Geige spielt Luna. Sie ist eine mittlerweile elfjährige wandelnde Verhaltensstörung, die alles verkloppt, was vier Beine hat und nicht bei drei auf dem Baum ist. Luna lebte ein zufriedenes Divaleben, bis ihr aus heiterem Himmel die zweite erste Geige vor die Nase gesetzt wurde: Wiki, ein zuckersüßer Terriermischling, der alle Herzen im Sturm erobert und jedem gnadenlos seine zweiundvierzig Zähne in den Unterarm rammt, der ihm frisch gebuddelte Mauselöcher, gemopste Butterpäckchen oder körperwarmes Erbrochenes streitig machen möchte. Wir haben ihn vor fünf Jahren in einem Anfall geistiger Umnachtung aus dem Tierheim Solingen abgeholt und in unsere Familie überführt. Seither knetet ihn Luna jeden Morgen einmal kräftig durch und fragt sich den Rest des Tages, wann der Wahnsinnsknabe wohl wieder verschwindet.

Wenn unsere Kinder früher zu sehr über die Schule gemotzt haben, haben wir Erziehungsberechtigten immer einen bedächtigen Zeigefinger gehoben und pädagogisch wertvoll gesprochen: „Du sagst jetzt sofort drei gute Sachen über Bio.“ In der Hundeerziehung funktioniert das auch. Luna muss in regelmäßigen Abständen drei gute Sachen über Wiki sagen. Nach längerem Überlegen kommt immer dasselbe dabei heraus. 

Erstens: Er hat Ohren. 
Zweitens: Er hört nicht. 
Drittens: Er mault nicht beim Durchkneten.

Wenn wir zu dritt unterwegs sind, kommt es gelegentlich zu unerwünschten Übergriffen. Vorsichtshalber habe ich mir Erklärungen zurechtgelegt, um meinen Mitmenschen deeskalierend begegnen zu können. Auf die Frage, was mit meinen Hunden los sei, antworte ich mit umwölktem Blick: „Bei Luna wurde eine disruptive Launen-Fehlregulations-Störung (DLFRS) diagnostiziert, und Wiki leidet an einer Sonderform des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Syndroms (ADHS). Ich tue, was ich kann.“ 

Probiert das mal aus! Es wirkt unfassbar kompetent. Ihr könnt natürlich auch die Wahrheit sagen: „Ich habe meine Hunde nicht im Griff, und der Kleine kann manchmal ein echter Arsch sein.“ Aber das muss jeder selber wissen.





Wie es zu diesem Buch kam.

In jenem Urlaub in Sainte-Croix-du-Verdon – Luna war erst anderthalb Jahre alt, stand also quasi in der zarten Blüte ihrer Jugend – ächzten wir beide jeden Morgen den steilen Weg hoch zur Dorfbäckerei. Jeden Morgen trafen wir den netten Herrn aus Holland mit seiner Schäferhündin. Jeden Morgen brachten sich die Damen beinahe gegenseitig um. In drei Wochen hatten wir nur ein einziges Mal kein Theater mit den Hunden. Da trafen wir nicht auf dem engen Pfad aufeinander, sondern oben vor der kleinen Bar. 

„Meine ist noch jung“, erklärte ich mit der kindlichen Zuversicht, die ahnungslose Amateure so gern an den Tag legen. „Da ist man noch wild und ungestüm. Im Alter legt sich das bestimmt.“
„Nee, zo simpel ist das niet,“, seufzte der holländische Herr und beraubte mich innerhalb von zwanzig Sekunden aller Illusionen. „Meine Trulla ist schon zwölf. Es ist jedes Jahr schlimmer geworden mit ihr. Die Mama und die Oma von ihr habe ich auch schon gehabt, und die waren genauso.“

Zehn Jahre später wandern meine Frau Stella und ich an einem warmen Frühlingstag durch unser Erkrather Viertel. Wir sind auf dem Weg ins Grüne. Im Nachbarhaus wohnt Nelly. Nelly guckt aus dem Fenster. Luna explodiert wie ein Zehnerkracher. Sie will Nelly abmurksen. Nelly ist eine Bedrohung ungeahnten Ausmaßes. Ein West-Highland Terrier, der in eine Teetasse passt! Schwitzend angle ich mein aufgebrachtes Rumpelstilzchen aus der Luft. Stella schaut unbeeindruckt zu.
„Du“, sagt sie.
„Ja?“
„Der Holländer hatte recht.“

Fünf Minuten später haben wir den Stadtrand erreicht. Der Wind umschmeichelt die zarten Schösslinge der Baumschule. Im Umkreis von dreißig Kilometern ist kein anderer Hund zu sehen. Wir leinen unser Geschoss ab.
„Schreib was über alte Hunde“, sagt Stella. „Da draußen gibt es Millionen von Hundehaltern, die immer noch hoffen, dass es mit zunehmendem Alter besser wird.“




Hab ich gemacht. 
Ich mache alles, was meine Frau sagt.
Ab 9. Mai 2016 als Paperback im Heyne Verlag
.








ABSCHLUSSZEUGNIS 
LUNA UND WIKI

Unterrichtseinheiten
257.897 in zehn Jahren

Trainerverschleiß
Herausragend

Kommandobeherrschung
Hä? Was?

Leckerchenhandhabung
Ganz ausgezeichnet

Hören und Betragen
Frag nicht nach Sonnenschein!

Klicker
Kaputtgebissen

Wälztechniken
Matsch: sehr gut 
Kuhfladen: gut

Stillhalten unter der Brause
Mangelhaft


© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2016 | Herrchentrubel 2016

4 Kommentare:

  1. Ein fügsames "Männchen". Wird es auch wieder eine Hörspielversion geben?

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  2. Hallo Krawallmaus,

    auch im neuen Buch kann ich meine Vorstellungen über Hundehaltung wiederfinden und mich vor lachen biegen. Bravo ! Bitte recht bald wieder ein neues Buch ;-))

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  3. Echt keine Hörbuchversion? Das ist jammerschade! Unser Lucky hört die Geschichten so gerne auf unseren Spaziergängen...
    Luna, ich soll dich von ihm grüssen - er befolgt bereitwillig all deine Ratschläge!

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