Samstag, 4. Februar 2017

Wiki.





Ich halte die eine Seite des Pizzakartons in der Faust, Wiki hat seine Zähne in der anderen vergraben. Wir starren uns in die Augen und machen beide ambitioniert RRRRRRRRRR. Zwischen uns ein blasser Aufdruck von Positano, aufgenommen von der Meerseite. In den Wellen dümpelt eine unansehnliche Pizza Funghi.

Es sieht nicht so aus, als trüge Wiki übermäßig Trauer. Zumindest nicht, wenn ihm einer die kitschige Pizzapappe wegnehmen will, in die er alle zweiundvierzig Beißerchen geschlagen hat. Oder wenn er am Mauseloch in meinen Schuh hackt, der ihn stupsend zum Weitergehen anregt. Oder – „Tschulldigung!“ – ungebremst in einen Hundeschulhaufen platzt, der gerade erzogen werden soll. Oder mit fliegenden Ohren und riesigen Sätzen neben dem Fahrrad galoppiert. 



Überhaupt das Fahrradfahren. So entspannt war ich in den letzten zwölf Jahren nie unterwegs. Ich hänge Wikis Leine an den Lenker und lasse mich durch den Wald ziehen. Na gut, ein Brahmahuhn dürfte immer noch nicht kommen. Aber ansonsten jeder Hund! Kein einziges Mal muss ich die Leine in die Hand nehmen, um einem Überschlag vorzubeugen. Wiki will sich am Rad einfach nicht prügeln. (Von hieraus einen ganz lieben Gruß an meine im Jenseits fröhlich weiterkloppende Krawallmaus. Nein, du Vogel, die Rippenprellungen vermisse ich nicht.) 

Seinen stoischen Gleichmut in Artgenossenangelegenheiten rechne ich Wiki hoch an. Immerhin ist er sechs Jahre lang neben einer Atompilzin hergelaufen. Er hat sich von ihren Macken nicht beeinflussen lassen. Stattdessen hat er eigene entwickelt. Zähne in Pizzapappen schlagen und rumpesten zum Beispiel.  

In diesen Tagen hat er aber auch ruhige Momente. Da guckt er still aus dem Fenster oder ringelt sich für lange Zeit im Sessel ein. Mit einer ordentlichen Portion Sentimentalität könnte man sagen, er ist traurig und vermisst Luna. Vielleicht ist er aber auch einfach nur ein wenig verhaltener als sonst, weil wir alle verhaltener sind. Er wird derzeit häufig zum Schmusen abkommandiert. Zu diesem Zweck zwingt man ihn gnadenlos aufs Sofa. Zwingen ist gut. Man muss nur ein bisschen mit der Zunge schnalzen, schon schießt er quer durchs Zimmer und hopst einem auf den Bauch. Dann legt er einem die Nase in die Halsbeuge und schnauft hinein. Das ist schöner als Kondolenzpost.

Ich bin überzeugt, er hat schon einige Zeit vor uns Abschied von Luna genommen. Hunde wissen, wenn mit dem anderen etwas nicht stimmt. Sie spüren den epileptischen Anfall lange, bevor er kommt, oder warnen vor einer drohenden Unterzuckerung, bevor diese tatsächlich eintritt. Vielleicht hat Wiki ja gerochen, dass da ein Blutgefäß in Lunas eigensinnigem Quadratschädel mit der Zeit immer dünner wurde. Drei Tage vor ihrem Tod hat er sich jede Nacht in ihr Körbchen gemogelt und sich zwischen ihre Vorder- und Hinterläufe gekuschelt. Die Alte hasste das sonst. Nachts war ihr der kleine ADHSler immer viel zu nervös. Aber in diesen drei Nächten hat sie es zugelassen.

Was ihm definitiv fehlt, ist das Rumnagen an Lunas Halsschwarte. Das praktizierte er zu Lebzeiten seiner großen Freundin jeden Tag mindestens ein Mal. Als hätte es ihm der Arzt verschrieben.

1 x tgl. an Lunas Halsschwarte rumnagen N3

Er riss jedes Mal sein Schnäuzchen so weit auf wie es nur ging und grub es tief in ihr Fell. Das ganze Maul war voll davon. Er kaute schmatzend darauf herum und brummte dabei wie ein dickes Insekt. Luna hat immer leicht genervt die Augen verdreht und gewartet, bis die Hornisse fertig war. Aber sie hat es ihm durchgehen lassen. Jeden Tag aufs Neue. Ich stehe dafür leider nicht zur Verfügung. Ich habe kein Fell und blute leicht.

An Weihnachten haben wir bei uns zu Hause eine Photo Booth mit vier Verkleidungskisten aufgestellt. Damit es endlich mal schicke Fotos von allen Familienmitgliedern gibt. Vor allem die Redneck-Basecap mit der integrierten Vokuhila wurde gern genommen. Dass die letzten Fotos von Luna dermaßen albern waren, sagt auch was aus. Vielleicht nichts über die Kompetenzen ihrer Halter. Aber über die Lebensfreude aller, die mit Luna unter einem Dach lebten – und von Wiki wegen Pillepallekram wie Pizzapappe oder Mauseloch gebissen werden.






„Und für den biometrischen Personalausweis jetzt mal ein bisschen ernster gucken."



3 Kommentare:

  1. Maike Kollenrott4. Februar 2017 um 17:23

    Dein Hamburger DOGS Forum Fanclub, der seinerzeit extra in die Nordheide kam, um dich und die (vierbeinigen) Deinen zu treffen - also Carola und ich - hat gestern gerade überlegt, wie es Wiki und euch Menschen wohl jetzt so geht, ohne die original Krawallmaus.
    Luna sieht mit Vokuhila ja sowas von gut aus. Das ist sicher ihr Dauer-Styling jetzt.

    AntwortenLöschen
  2. Wuff wuffruff wauwau grrr ruff

    AntwortenLöschen
  3. Nun ist auch Wiki für immer gegangen. Leider ist die Liebe zu unseren Hunden nicht ohne den brennenden Schmerz am Ende zu haben. Luna und Wiki werden durch die tollen Bücher unvergessen bleiben.

    AntwortenLöschen

Krawallkommentare sind verboten. Es sei denn,
sie kommen von euren Hunden. :o)