Freitag, 18. Dezember 2015

Last-Minute-Geschenktipp.




Wenn man Verbalakrobatik und Metzgerhandwerk schätzt, gehört es zu den Höhepunkten des Daseins, Malmsheimer den Niedergang des Wurstbrots beklagen zu hören: „Früher war nicht alles besser. Das ist Quadratunsinn. Aber es gab Sachen, die waren früher gut. Und sie wären es auch heute noch, wenn man die Finger davon gelassen hätte. Zum Beispiel das Wurstbrot!

Unten eine Scheibe Graubrot mit knuspriger Kruste. Richtiges Brot aus Korn, aus Mehl. Nicht diese weiße Feuerzeugwatte, die wir heute zum Frühstück fressen, nein! Darauf, daumendick und goldgelb, Gutebutter. Ein Wort! Gutebutter. Und dann drei, in Worten drei, der Krieg ist vorbei, drei Scheiben Zervelatwurst. Die müssen wie die Dachschindeln anliegen. Das war gut. Jahrtausende war das gut. Bis zu diesem furchtbaren Tag, an dem irgendso ein mental verrotteter Bäcker da Mayonnaise draufgepackt hat! Und ein Salatblatt und Tomate und gekochtes Ei! Du hast das Gefühl, du beisst in einen Komposthaufen!!“ 1




Ein Malmsheimer-Abend kann sehr laut werden. Auch fürchtet man immer um den Blutdruck des Vortragenden. Vom Wurstbrot geht es mit Wucht durch alle Themen, die den modernen Menschen bewegen. Von Playtex mit Zauberkreuz ist da die Rede, von Tilly und Palmolive, Prickel-Pit im Goofy-Spender und von Prilblumen, die bis zum Atomschlag an den Küchenkacheln des Ruhrgebiets haften werden.

Der Pott liegt ihm eh am Herzen, vor allem die dort ansässige Kneipenszene. Seine Bestandsaufnahmen der örtlichen Gegebenheiten sind legendär: „Zwei Plätze weiter rechts redet einer, dessen Barttracht eine filzgleiche Symbiose mit der restlichen Kopfbehaarung eingegangen ist, sodass man den Eindruck hat, neben einer geplatzten Rosshaarmatratze zu sitzen, die spricht. [...] Beim Anblick des zweiten Glases und der meinem Drängeln geschuldeten Servier-Geschwindigkeit fühlt sich eine ältere Dame bemüßigt, die pfefferminzteeselige Mütterfrage zu stellen: „Kann man denn nicht auch ohne Alkohol fröhlich sein?“ Tresenbelegschaft und Serviceteam wie aus einem Munde: „Fröhlich schon, aber eben nicht besoffen.“ 2


Die exzessive Einnahme geistiger Getränke führte vermutlich auch zu Ergüssen wie dem folgenden. Der Meister macht sich Sorgen um die deutsche Sprache. Immer mehr PH‘s werden durch F‘s ersetzt, schäumt er gegen Ende des Abends, dabei sollte es genau umgekehrt sein, das verleihe den Wörtern eine ganz andere Bedeutung: „Statt Fimose also Phorhautpherengung! Der Schmerz klingt sofort ab. Oder nehmen Sie als Beispiel den Begriff Verblüffung. Der Grad der Verblüffung nimmt mit der Phisierung zu, ersetzt man das Doppel-F durch PH. Es spricht sich gleich verblüphter: Verblüphung. Will man die Verblüphung bis zum geradezu blödsinnigen Staunen steigern, ersetzt man auch noch das anfänglich V durch PH. Pherblüphung! Nie war sie größer.“ 3

Der Phrust nach Verklingen des Schlussapplauses ist ebenfalls groß. Man läuft mit dem festen Vorsatz aus der Veranstaltung, seinen Lieben daheim die lautesten Kracher brühwarm zu erzählen – und hat schon im Parkhaus alles wieder vergessen! 


So war das jedenfalls früher. Heute ist alles besser. Heute hat Malmsheimer ein Einsehen und die Texte seiner Programme vom WortArt-Verlag ordentlich setzen und drucken lassen. Das Wurstbrot ist nicht drin. Aber dafür sämtliche Hauptgänge aus den vier Programmen, mit denen er abwechselnd seine Publikumsabende gestaltet:


• Wenn Worte reden könnten, oder: Vierzehn Tage im Leben einer Stunde

• Ich bin kein Tag für ein Nacht, ein Abend in Holz
• Flieg Fisch, lies und gesunde! Oder: Glück, wo ist dein Stachel?!
• Ermpftschnuggn trødå, oder: Hinter‘m Staunen kauert die Frappanz!

Das Buch heißt Gedrängte Wochenübersicht, passt mit 350 Seiten auch unter kleine Weihnachtsbäume und ist Malmsheimers Oma gewidmet, „die das, was sie am Samstag als Nahrungsmittelüberbleibsel der vergangenen Woche im Kühlschrank fand, in eine Pfanne lud, reichlich Zwiebeln dazugab, ein paar Eier drüberschlug, kräftig würzte und mit etwas Sahne löschte und das Ganze dann als Gedrängte Wochenübersicht der vielköpfigen Enkelschar servierte.“ 4


An Weihnachtsfeiertagen gab es bei Malmsheimers vermutlich Gedrängte Jahresübersicht. Die Reste von 365 Tagen mit der bloßen Faust in die Gans gestopft. Aber so genau will man’s dann doch nicht wissen.


Phröhliche Weihnachten.




Jochen Malmsheimer
Gedrängte Jahresübersicht
350 Seiten | WortArt Verlag

Gebunden 16,95 € | E-Book 10,99 €

Tourdaten auf jochenmalmsheimer.de



© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2015 | 1  Zitat aus: Jochen Malmsheimer, Das Wurstbrot, Neues aus der Anstalt, ZDF Juni 2010 | 2 3 4 Zitate aus: Jochen Malmsheimer, Gedrängte Wochenübersicht, WortArt-Verlag 2015



2 Kommentare:

  1. Habbischschongekauft. Für MISCH!!! Seeeeeeeeeeeeeeeeehr lustig, wie alles vom "Malmsmeister"!

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  2. Klingt super, werd ich mir mal genauer ansehen!

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