Samstag, 20. September 2014

Von blauen Haltern, seltsamen Ämtern und dem Paragraphen 11.




»Erinnert ihr euch noch an letztes Jahr?«, fragt Peter. »Die Brunellomethode? Orale Rotweingaben für Hundeführer?« – »Klar«, sagt Juppi. »Je besoffener das Herrchen, desto entspannter der Hund.« – »Blauer Halter statt blauem Hund«, sagt Walter. »Lasst uns das ausbauen«, sagt Peter. »Wir machen uns mit einer Hundeschule selbstständig.«

»Therapiekonzept Blauer Halter.« 
»Hervorragende Idee.«
»Auf uns Therapeuten!«
»Auf uns Therapeuten!!«
»Was nehmen wir pro Stunde?«
»Minimum zwohundert plus Steuer.« 
»Was therapieren wir eigentlich?«
»Ist das wichtig?«


2013 war die Welt halt noch in Ordnung. Da konnte man auf Seite 149 von Herrchenglück einen Abfallwirtschaftsfachmann, zwei Ingenieure und einen Controller eine Hundeschule gründen lassen. Das durfte damals jeder. Man musste nur in der Lage sein bis sechs zu zählen (Schnauze, Rute, Bein, Bein, Bein, Bein). Oder man behauptete einfach ohne rot zu werden, man liefe seit 15 Jahren unfallfrei mit dem Dackel um den Block und sei deswegen jetzt Hundeverhaltenstherapeut. Würde ich obigen Dialog heute noch einmal schreiben, müsste die nächste Zeile lauten: »Okay, zwei Dinge noch. Wer besorgt den Sprit bei Jaques’ Weindepot und wer von uns macht den 11er?« 

Seit August 2014 ist nämlich Schluss mit lustig! Seit August 2014 gilt §11 des neuen Tierschutzgesetzes. Seit August 2014 braucht man eine behördliche Erlaubnis, wenn man mit Hundetraining Geld verdienen will. 

Die kriegt man aber nur, wenn man sachkundig ist. Das hat sich der Gesetzgeber gut überlegt. Was er sich nicht so gut überlegt hat: Wer ist eigentlich so sachkundig, dass er prüfen kann, ob jemand sachkundig ist? Der Einfachheit halber hat er den Job den Veterinärämtern aufs Auge gedrückt. Woraufhin nicht wenige Amtstierärzte verwundert den Arm aus dem Kuharsch zogen und sich fragten, was der Unfug denn solle, sie hätten mit Hunden nicht übermäßig viel am Hut. Sie sollten sich nicht so anstellen, hat da der Gesetzgeber geschmunzelt, schließlich gäbe es den bundesweit gültigen D.O.Q.-Test und zum Praxisbesuch dürften sie einen externen Sachverständigen mitnehmen. Mit anderen Worten: Jeder soll einfach machen, was er will.

Was dann auch jeder tat. Die einen Behörden prüften gar nicht („Sie können bis Sechs zählen? Hier ist Ihr Schein.“), andere drohten vorsorglich erst einmal Berufsverbot an („Und, ähmnä, 25.000 € Ordnungsgeld für den Fall, dass Sie nach dem 1. August noch Hundekurse anbieten.“). Der eine Landkreis klopfte erfahrenen Trainern auf die Schulter („Nach 20 Jahren im Job werden Sie ja wohl sachkundig sein.“), der andere überzeugte mit einem beeindruckenden Tunnelblick („Guter Mann, sachkundig ist nur, wer eine Ausbildung bei der IHK Potsdam vorweisen kann.“). Und weil der Heititei-Verband so gute Lobbyarbeit geleistet hat, tauchten in nicht wenigen Praxisprüfungen Sachverständige auf, die deutlich weniger Ahnung hatten als die Prüflinge, und eigentlich nur guckten, ob der Kandidat ordentlich klickert. (Tat er natürlich nicht. Klickern ist sauschwer. Zack! Berufsverbot.)




Aus gegebenem Anlass eine Abschweifung in grünschleifengrün. Nein!!! Klickern ist eben nicht sauschwer! Ich bin zwar eine totale Flasche am Hund, aber die vier Quadranten der operanten Konditionierung habe sogar ich kapiert. Es ist wirklich nicht kompliziert. Keine komplexe Wissenschaft. Kein großes Ding. Kann man leicht verstehen und umsetzen. Geht gut. Klappt auch.


Es gibt also seitens der Ausschließlich-Positiv-Arbeitenden-Krauses (APAK) keinen Grund, uns Ottonormalhundehaltern einzureden, es sei schwierig, dauere sehr lange und brauche intensive Betreuung. Ebensowenig besteht Veranlassung, in jeder Diskussion die Heititei-Zweifler darauf hinzuweisen, sie hätten das Prinzip nicht verstanden, es „übersteige ihren geistigen Horizont", sie „seien hilflos aus Unwissenheit“ oder „ihr Verstand habe aufgehört zu existieren“. Dem ist nicht so! Wir schubsen ja nicht, weil wir Skinner nicht kapiert haben. Man muss die APAKS aber trotzdem lieb haben. Erst recht dann, wenn die Frisuren vom vielen Gegenwind zerzaust sind und ihre Ankersignale immer wirrer werden. Ende der Abschweifung in grünschleifengrün.




Wo wir gerade bei Berufsverboten sind. Genau hier bekommt unser heiteres Prüfungsdurcheinander nämlich ein Gschmäckle. Wenn der Heititei-Krause als Sachverständiger in der Kommission sitzt, kann er sich auf wundersame Weise der störenden Konkurrenz entledigen, die auf der Nachbarwiese Schläuche nach dem Hund wirft. So wird das Hundeschulenangebot im eigenen Landkreis überschaubar.

Umgekehrt funktioniert das selbstverständlich genauso. Hockt ein Hardliner im Gremium, wird wahrscheinlich geprüft, ob der Kandidat aus dem Futternapf frisst, vor dem Hund die Treppen hochgeht, über die Markierungen seines Rüden pinkelt und vor der Haustür mit den Füßen scharrt. („Das ist mein Haus! Das ist mein Haus!“)

Wo sich der ein oder andere Prüfling auch ungläubig die Augen gerieben haben dürfte: In so manchem Gremium sitzt der Anbieter einer kostenpflichtigen Fortbildungsmaßnahme zur Vorbereitung auf die Sachkundeprüfung. Das ist praktisch. Da weiß jeder gleich, von wem er sich besser coachen lassen sollte, wenn er den Schein haben will.

Sehr souverän auch das Kreisveterinäramt Lippe/Detmold. Die bescheinigt einem Trainer, der 1.200 Ausbildungsstunden bei dogument und Canis auf der Uhr hat, dass er für Lippe nicht sachkundig genug sei und auf jeden Fall den D.O.Q.-Test machen müsse. Auf den Einwand, er habe den D.O.Q.-Test schon vor einem Jahr bei der Tierärztekammer Schleswig-Holstein absolviert, hieß es, man sei hier nicht in Schleswig-Holstein, sondern in Lippe, im Übrigen mache das 340 € und einen schönen Tag noch.

So wird’s gemacht! Bloß nicht durch Überqualifizierung irritieren lassen.





Von alldem weiß der Gesetzgeber nichts. Deshalb haben einige kluge Leute eine Arbeitsgemeinschaft zur bundeseinheitlichen Umsetzung von §11 gegründet und einen offenen Brief an Minister Schmidt geschrieben. Mit detaillierten Erläuterungen für alle, die es genauer wissen wollen.

Für meine ambitionierten Jungs kommt diese gute und längst fällige Aktion leider zu spät. Die Hundeschule Blauer Halter ist beim 11er-Test durchgefallen. Der Kandidat erschien unangemessen lallend vor der Kommission und konnte den Kuli nicht mehr führen. 

Damit befindet er sich in guter Gesellschaft. Cesar Millan hat den 11er beim Veterinäramt Hannover auch nicht bestanden. Grund? Der D.O.Q.-Test lag nicht in Englisch vor und Cesar konnte kein Deutsch? Oder ist er gar nicht erst angetreten im Erbsenzählerprovinzbüro? Wie dem auch sei, er ist jetzt offiziell sachunkundig und darf beim Auftritt keine Hunde auf die Bühne holen. Es sei denn, am Bühnenrand sitzt ein 11er-Krause auf einem Stühlchen.Was wiederum Eckehard Fuhr so bewegte, dass er in der WELT sinnfrei titelte: Cesar Millan ist der Thilo Sarrazin der Hundeszene.

Seither steht mein Hirn nicht mehr still.
Warum ausgerechnet der Thilo Sarrazin? 
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Warum nicht die Beatrix von Storch der Katzenszene?
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Der Eduard Zimmermann des Erdmännchentrainings.
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Der Heinz Buschkowsky des Nacktschnecken-Agility.
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Die Golden Gate unter den intermediären Brücken?

© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2014










12 Kommentare:

  1. Da kann man nur eines dazu sagen:
    " seufz, deutsche Gründlichkeit und, ähm, ja Bürokratie in Vollendung ! "
    Freundliche Grüße
    Jutta

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  2. aber ein bißchen öde wird es schon, mit deinem Cesar hier und Cesar da … Zuviel Fan wird peinlich, in deinem Alter. :-P

    Der ist auch nur ein Krause.

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  3. i love it ......................sowas von aus der seele .................

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  4. Ahhh es gibt sie also noch die normalen Hundebesitzer, zum Glück für unsere Hunde :-) fein geschrieben !!!

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  5. mir stellt sich die frage : muss ich trotz jahrelanger Praxis und nicht anerkannter Qualifikation, bei der IHK Potsdam für nen 1000der mich nachschulen lassen ??? wenn nur dieser schein Gültigkeit hat ??? MAFIÖS.....es kann doch nicht sein, das meine Amts- Tierärztin nur diese Qualifikation anerkennt....wer hat denn da mit wem geschlafen ????

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  6. Herrlicher humor! Ich grüß dann mal Cesar-Krause morgen(Berlin) von Dir….Allet Jute im Tierhundefindungsparagraphengwurschtle! P.K.

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  7. Bei allen "Abers", ein aber das unwideruflich richtig ist: das Leckerli-auf-der-Nase-von-Wiki-Bildchen ist ganz nett ... was sage ich: erstaunlich!!!

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  8. Super beschrieben, gerade der Part mir Cesar Millan! Gegen die Hannoveraner bin ich ja allergisch, aber in diesem einen Fall haben sie mal was richtig gemacht? Ich bin positiv erstaunt! :D

    Liebe Grüße
    Macha

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  9. Wolfgang Schneider24. September 2014 um 17:34

    Brauche bitte dringend eine Adresse für das "Blaue Halter Konzept" in NRW.
    Beginne schonmal mit dem Training......... Prost............... klappt... klpt..hicks suuuper

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  10. Das schildert sehr schön auf humorvolle Art den momentanen Zustand. Was mir noch fehlt ist das buhlen der Ausbildungseinrichtungen um Anerkennung der Ausgildung bzw. Gleichstellung. Da geht es dann um die Vergleichbarkeit von Ausbildung die mit Prüfungstag und einem Praxistag 100 Stunden umfaßen zu Ausbildungen die 1.500 Stunden oder mehr beinhalten. Auch hier bin ich auf das Ergebnis gespannt.

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