Samstag, 19. April 2014

Wartenbissiesichbenimmt.














Showdown im Düsseltal oberhalb von Gut Thunis. Wir befinden uns im Fadenkreuz eines Appenzeller Sennenhundes. Der steht wie eine betonierte Eins 200 Meter weiter vorn an der Kreuzung und will nicht weichen. Hinter ihm versucht Frauchen interessanter zu sein als wir. 

Es ist Brut- und Setzzeit. Meinen beiden Entchenkitzundkatztötern habe ich fünf Meter lange Leinen an die Halsbänder geknüpft. („HALS???" – „Ja, Hals! Bitte informieren Sie umgehend Peta, Tschäinsch Org und Uschis Oase!“) Die Enden sind aneinander geknotet. So hat mein Doppel-Pack insgesamt einen komfortablen Aktionsradius von zehn Metern. Wenn sie durchstarten, brauche ich nur zu rufen. Sie sind sich nie einig. Einer zögert immer und bremst den anderen aus. An ganz heiklen Stellen nehme ich das Seil auch mal in die Hand. 


Der Appenzeller hat mittlerweile alle vier Pfoten in den Asphalt geschlagen und fixiert uns über die Distanz. Frauchen wirkt ein bisschen unentschlossen und eiert hinter ihrem Hund herum. 

Ich setze mich auf eine Bank, damit die Dame in Ruhe „am Hund arbeiten“ kann. Bis die Kreuzung frei ist, kann es dauern. Es sieht ganz danach aus, als würde da vorn gerade eine klassische Krause-Empfehlung umgesetzt: nicht ziehen, nicht zerren, nicht zetern, nicht blocken; einfach interessant sein, dem Hund eine Alternative zum Starren anbieten und sofort klickern, wenn er das Angebot annimmt.

Am Arsch die Räuber! Das Jokerleckerchen zieht nicht. Koseworte prallen ab. Windmühlenartige Gestik fällt der Ignoranz zum Opfer. Tschüss-Sagen und Rückwärtsrennen, bis die Flexi am Anschlag ist, produziert bei der Appenzeller Statue nicht einmal eine hoch gezogene Augenbraue. Mein blinzelndes Hundeweib und ihr großfressiger kleiner Kumpel sind einfach spannender. 

Frau Appenzeller tut mir sehr leid. Solch vernichtende Niederlagen habe ich alle schon hinter mir. Diese Ohnmacht, wenn man wie der Volldepp der Nation neben einem Hund steht, der alle Fäden in der Hand hält und einem mal kurz zeigt, wie man Themen setzt.





Aus meiner seligen Klickerzeit

(Sommer 2007)


Seht ihn in der Ferne! Seht!
Wie er hinter Luna steht
Starr wie eines Salzkorns Säule.
Hund geht durch wie hundert Gäule.
Leckerchen macht Taschenbeule.
Klicker in der Hand statt Keule.

Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.

Im Kleinhirn ist der Teufel los:
„Gott, was mache ich jetzt bloß?
Klicker darf ich nur betätigen,
Um das Gute zu bestätigen.
Darf nicht rucken.
Darf nicht glucken.
Darf nicht mucken.
Darf nicht spucken.
Darf nur warten …

Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.

Wenn sie doch mal schauen würde,
Hunde nicht mehr hauen würde,
Trauend auf mich bauen würde
Einfach mal mit Pfauenwürde
And’re - Klick! - passieren ließe,
Mich nicht einen Tölpel hieße,
Auf dass leise Hoffnung sprieße,
Ruhe durch die Adern fließe.

Doch stattdessen steh’ ich da,
Mister Volldepp Superstar,
Und muss …

Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.
Wartenbissiesichbenimmt.






Piiieep. WDR Verkehrsnachrichten. Die Vollsperrung auf der Kreuzung Dispensiepen/Bracken dauert noch bis circa 20 Uhr. Die Umleitungen sind ausgeschildert. Piiiep.

© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2014



19 Kommentare:

  1. Dieses Gedicht... einmalig!

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  2. Beschreibt genau meine Situation, und dann noch in Gedichtform!

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  3. Kannst du im Ernstfall rappen. :o)

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  4. Goethe ist tot - er hatte auch keine Chance, er hatte keinen Hund....:)

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  5. Herrliches Ding, danke!

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  6. Das ist hier irgendwie köstlicher als auf der "sozialen" Plattform. Vielleicht liegt es an den schweizerisch gestelzten Vierbeinern, die sind immer anders ... ;-)

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  7. Vielen Dank für diese auf amüsante Art verpackten Begebenheiten. Frohe Ostern für alle (auch und vor allem die 4-beinigen) Frey Dodillet's und ihre immer wieder aufs neue sehr gut unterhaltene (auch oder gerade weil wir oft nur den Spiegel vorgehalten bekommen) Fangemeinde! :-)

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  8. Ich kenne die Frau. Und sie hat mir gesagt, dass sie alles richtig gemacht hat. Und ihr Hund natürlich sowieso. DU warst schuld! Wie immer! Wenn Du da nicht gestanden hättest, oder zumindest das kleinste bisschen Ahnung gehabt hättest, wärst Du SOFORT weggegangen. Umwege über Kilometer hätten Dir nichts ausgemacht weil dann hätte sie schon lange klickern können! Manno!

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  9. Geht mir mit meinem Beagle genau so...

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  10. Klasse, wie immer!! Euch allen 2- und 4-beinigen Familienmitgliedern ein frohes Osterfest und viele Anregungen für neue Blogeinträge!!! LG Hilla und Luna

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  11. "Die Krawallmaus-Tagebücher" war mal eine meiner Lieblingseiten (als Lesezeichen abgelegt). Das war zu Zeiten, als Lunas Missetaten Mittelpunkt der Geschichten waren und unnachahmlich unterhaltsam aus dem Leben eines geplagten Krawallmausbesitzers geplaudert wurde. Das inzwischen immer verkrampftere Bashing von Mitmenschen, die in irgendeiner Weise (und womöglich "nett") versuchen, den Problemen mit ihren Hunden beizukommen, hat nichts mehr mit dem Dodillet zu tun, den ich mal auf einer Lesung beklatscht habe. Der hat fröhlich und gleichmäßig in alle Richtungen ausgeteilt sowie unverdrossen und unparteiisch die Schwächen *aller* Hundehalter und -Trainer auf's Korn genommen. Der Dodillet von heute kommt so verbiestert und verbissen 'rüber, wie es kein noch so krawalliger Hund je könnte. So schade. Und Lesezeichen gelöscht.

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    1. Tja liebe Heidrun....was bringt all deine Nettigkeiten wenn du deinen Hund nicht unter Kontrolle bringst und dich dabei noch zum Affen. ....
      Die Realität wird nun mal von der Krawallmaus sehr passend beschrieben. ....Aber die Wahrheit ist nicht jedermans Sache.......

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    2. Ich kann Heidrun nur zustimmen. Die Krawallmaus-Tagebücher waren für mich einmal ein großes Vorbild. Ich frage mittlerweile auch oft, ob Herr Dodillet nur noch für eine frustrierte Gruppe von Hundeprofis schreibts ... Ich als durchschnittliche Hundehalterin finde mich nicht mehr wieder! Applaus eingestellt!

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  12. Mir gehts genau wie Heidrun. Schade...
    Joachim

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  13. Wartenbissiesichbenimmt - das, liebe Heidrun, ist doch wieder ein Krawallmaustext der alten Schule, oder? Ich werde jedenfalls künftig den Verkehrsfunk nur noch mit leichtem Lächeln hören ...

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  14. Hallöchen Krawallmaus + Anhang,

    vielen Dank für das erneute breite Grinsen dank des Artikels! Die beiden Fellnasen sind einfach nur köstlich. :D :D :D

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  15. Hab auch einen sennenhundvertreter zu hause ;) der dickkopf...wahnsinn! :D Devise, mit Humor nehmen und im Ernstfall auch mal ausrasten können ;) der rap (das Lied????) ist klasse...wird auswendig gelernt und das nächste mal einfach laut gesungen :)

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