Dienstag, 21. August 2012

La Diva et le Dude.




Das langgezogene, deutsche HIIIIEEER ist ein Kommando, das Hunde in der Regel als Aufforderung betrachten, sich umgehend noch weiter von ihrer Bezugsperson zu entfernen. Auf Französisch heißt das VIENS IIICIIIIIIIII!!! Richtig ausgesprochen klingt es wie eine Kreissäge, die sich durch ein Aluminiumprofil frisst.

Es versteht sich von selbst, dass der französische Hund daraufhin macht, was er will. Es ist überhaupt sehr interessant, dass Hunde, die ihre Frauchen und Herrchen abperlen lassen, in Frankreich genauso aussehen wie bei uns oder in Italien oder Turkmenistan. Die Leckmichmalkreuzweise-Haltung scheint international dieselbe zu sein: Der Hund zuckt mit keinem einzigen Ohr, stutzt nicht für eine Zehntelsekunde, hält die Rute - sofern er noch eine hat - steil und zieht sein Ding durch. 


Mit Ding ist wahlweise gemeint,
• dem deutschen Deppen mit den zwei Hunden vors rote Damenfahrrad laufen,
• am See durch die Entengrütze und danach über die Tourihandtücher brettern,
• dem holländischen Wohnmobil dekorativ vor den Eingang kacken,
• vor der Snackbar an die Speisentafel pieseln, die sich langsam im Wind dreht.

Dazu aus dem Off das kreissägende „VIENS IIICIIIIIIIII!!!", das alle hören, nur nicht der, den es angeht. Die Provence hat uns wieder.*




Wildschweinsalami und Lavendel (2011) 
   Gassi à la provençale (2010)
   Jaulen und Maulen in der Provence (2009)
   Angenehm, Müller-Lüdenscheidt (2008)





Schlaflos in Ste Croix (1).

Dieses Jahr ist es lauter als sonst. Das hat im Wesentlichen mit einem kleinen, schwarzweißen Hund zu tun, der die Platzwache für alle Camper auf der oberen Terrasse übernommen hat. Sobald ein Bewegungsmuster auftaucht, das er nicht kennt, schlägt der Dude Alarm. (Hüstel, auf einem Campingplatz gibt es eine Menge Bewegungsmuster, die man nicht kennt.)

Wiki braucht zwei Tage, bis er ein Bewegungsmuster verinnerlicht hat. Dann bellt er nicht mehr. Die dazugehörige Figur ist nun in seinen Augen berechtigt, diesen Teil des Campingplatzes zu betreten und dort zu verbleiben. Leider reist die Figur meistens am dritten Tag wieder ab. Der Lernprozess beginnt von Neuem.

Dass der Halter des kleinen, schwarzweißen Hundes nicht gesteinigt wird, liegt an dem französischen Baby, das ab halb fünf morgens lauter kräht als jeder gallische Hahn, und an den zwei sechsjährigen Töchtern unserer holländischen Nachbarn. Alle drei lärmen um 100 Dezibel heftiger als ein alarmtrompetender Wiki. 

Frage an die Gamer in der Krawallmausgemeinde: Die beiden holländischen Zwillingsmädchen daddeln auf kleinen Nintendos und johlen immer NIIII NIIII NIIII ins Gerät. Kennt jemand dieses Spiel?



Der schwarzweiße Hai.

Wenn man zwei (2) Hunde hat und einen (1) Holzprügel in den See hinauswirft, gibt es drei (3) Möglichkeiten.

Möglichkeit Eins: Der große Hund erreicht den Stock zuerst. Er nimmt ihn zwischen die Zähne und schwimmt Richtung Land. Nach ein paar Metern kommt ihm der kleine Hund entgegen und verbeißt sich im Holz. Beide schwimmen gegeneinander. Dabei kommen die Köpfe immer weiter aus dem Wasser, die paddelnden Hinterteile sinken immer tiefer. Kurz bevor beide untergehen und ihr Leben verlieren, knurrt der Große. Der Kleine lässt los und geht friedlich längsseits. Beide schwimmen an Land.

Möglichkeit Zwei: Der Kleine erreicht den Stock zuerst, weil der Große eine Weile festgehalten wird. Er schnappt den Stock, spürt den heißen Atem des Großen im Nacken. Jetzt greift der Große an! Der Kleine wird fuchsteufelswild und zickzackt fauchend im Wasser herum. Das Wasser um ihn herum schlägt Blasen. Es brodelt als käme gleich der weiße Hai hochgeschossen. Daraufhin geht der Große friedlich längsseits. Beide schwimmen an Land.

Möglichkeit Drei: Keiner erreicht den Stock, weil es schon spät ist und die Diva und der Dude jetzt lieber speisen möchten anstatt sich nochmal nass zu machen, wo doch das Wasser auch nicht mehr das Wärmste ist um diese Zeit und überhaupt.



A-y-a-y-aaaaa wawaaaawa.

Nach vierzehn Tagen praller Sonne und dreißig Grad Hitze ist die obere Terrasse unseres Campingplatzes so trocken, so pulverig, so hustenreizig. Ich greife mir eine Faust voller Dreck und halte sie in den Wind. Während der Staub durch die Luft weht, erfasst mich fiebriges Delirium! Ein baumlanger Däne in Cowboystiefeln schlurft über den Platz, die Hand am Colt, belauert von einem zahnstocherbeißenden Franzosen, den ich nicht aus meinen gefährlich blinzelnden Augen lasse, während mein Schaukelstuhl in der stechenden Sonne todbringend hin und her quietscht. Ich kaue meinen Zigarrenstummel. Es wird nur einer überleben. Zwei Koyoten heulen. Irgendwo hinter dem Galgenhügel spielt ein einarmiger Bursche Mundharmonika. A-y-a-y-aaaaa wawaaaawa!



Boing statt Bsch.

Der aufrechte deutsche Tierschützer macht zwar Ferien, bleibt aber auch im Ausland vierundzwanzig Stunden täglich am Ball. Ich ernte bitterböse Blicke und empörtes „Tierschutzrelevant!"-Gemurmel, als ich die Diva herzhaft in die Seite remple. 

Ich weiß, dass es sensible Hunde gibt, deren unerwünschtes Verhalten mit einem Fingerschnipsen unterbrochen werden kann. Aber so einen habe ich nicht! Habe ich nicht! Habe ich nicht! Wenn sich Luna aufbaut, um einen „brandgefährlichen“ Yorkshire die Böschung hinunter zu blasen, ist es mit einem Bsch nicht getan. Ein Bsch interessiert nicht, wenn Vorbereitungen zur Detonation getroffen werden. Ein Bsch ist ein alberner Witz. Lunas Botschaft an den Bsch-Macher lautet: „Wenn du dich nicht bemerkbar machen kannst, Memme, dann bleib gefälligst hinter mir, halt's Maul und geh' mit den Frauen und den Kindern in Deckung!“

Neulich habe ich gelesen, dass Zuppeln an der Leine in Wirklichkeit ein Leinenruck ist und den Hund bricht. Bei so einem Unfug breche ich, nicht der Hund. Das sind die Leute, die die DVDs namhafter Hundetrainer in Slow-Motion nach den Stellen durchsuchen, wo sich bei einer korrigierenden Berührung das Fell einen Zentimeter verschiebt. Wenn da mal nicht rohe Gewalt waltet!?

Ich will nach sieben Jahren auch keine Tipps mehr von den Fingerschnipsern. Bei uns macht es halt ab und zu Boing statt Bsch. Die Fingerschnipser zeige ich an. Hunde haben empfindliche Ohren. Das Schnipsgeräusch ist Starkzwang. Wattewerfen kann tödlich sein.

Erkrath. Ein Münsterländer-Jack-Russell-Mix (2) wurde schwer verletzt, als sein Besitzer einen Bausch Watte nach ihm warf. Ein Fusel verfing sich unter dem Augenlid. Entzündung, Vereiterung, OP! „Wie konnten das Auge nicht mehr retten", sagt Tierarzt Dr. W. aus E. der BILD und warnt: „Wattebäuschchenwurf ist tierschutzrelevant.“




Schlaflos in Ste Croix (2).

Das Bewegungsmuster „Katze" ist auch nach vier Wochen noch „aber sowas von der Hammer von einem Aufreger"!





Urlaubskässchenkrise.

Die Rottmeier-Abverkäufe sind noch nicht zufriedenstellend. Auch das knuffige Hörbuch bleibt etwas unter seinen Möglichkeiten. Die neuesten Studien des Marktforschungsinstituts Pansengold aus Bad Ziemer haben ergeben, dass der Hundehalter Angst vor diesem Buch hat und Meideverhalten zeigt. „Ich bin doch nicht blöd und schenke meinem Hund einen Ungehorsams-Ratgeber“ war die meistangekreuzte Antwort auf Frage 124. Daher nochmals zum Verständnis: Das Buch ist selbstverständlich nicht für den eigenen Hund. Das schenkt man den 50 Braven aus der Nachbarschaft, um sich für die überheblichen Blicke zu rächen, mit denen einen deren Halter immer traktieren.

Jedenfalls ist das der Grund, warum das Urlaubskässchen der Diva und des Dude dieses Jahr nicht allzu üppig gefüllt ist. Leberwursteis ist auf keinen Fall drin. Auch die traditionelle Tretbootfahrt der beiden in der Mündung des Verdon fällt voraussichtlich dem Rotstift zum Opfer.

Ganz kritisch wird es, als sich Luna und Wiki im Auto daneben benehmen und anderntags der Turboschlauch platzt. Ein direkter Zusammenhang lässt sich nicht herstellen. Aber einer muss ja schuld sein. Der Bulli fährt nur noch 75 Ka emm ha, kommt keine Steigung mehr hoch und blendet den Fahrer mit drei grellen Warnlampen: Motormanagementchaos, Dieselpartikelfilteralarm, Lambdasondeninsuffizienz. Das geht bei Volkswagen und seinen angeschlossenen Vertragswerkstätten in die Tausende. Die gesamte Urlaubsfinanzierung der beiden droht sich in Rauch aufzulösen. 

Bevor es für die Hunde zum Äußersten kommt – statt Edelsalami aus Moustiers nur noch Knäckebrot mit vegetarischem Tartex – entdecken wir in Sichtweite von Wikis rotem Lieblingshydranten die Werkstatt eines markenungebundenen Magiers, der alle Probleme innerhalb von zwei Stunden beseitigt und dafür 73,45 € verlangt.

(Ich hätte noch für 75 Cent den Tacho zurückdrehen lassen sollen, ich Idiot.)



Hundehüttenmodell Bulli.

Luna schläft im Zelt, Wiki schläft im Bulli. Das garantiert, dass beide genügend Schlaf kriegen. Sonst spielten die womöglich bis weit nach Mitternacht Siebzehn und Vier. 

Wenn sich die beiden nach langer, langer Zeit –also am anderen Morgen – wieder sehen, freuen sie sich wie Bolle und balgen einmal quer über den Platz, dass es nur so staubt. A-y-a-y-aaaaa wawaaaawa!

Was die Maße der Hundehütte angeht, macht mir so schnell keiner was vor. Ich kenne meinen Wagen bis zum letzten Millimeter. Ich habe es quasi im Blut, wo er hinten, vorne, oben, unten, rechts und links endet. Ich parke seit fünf Jahren unfallfrei damit ein, befahre Parkhäuser ohne das Dach einzudrücken und überzeuge mit sauberen 180-Grad-Kehren, die die Häuserwände unangetastet lassen. 

Als sämtliche Mitglieder meiner Familie der Ansicht sind, das Schiebefenster wäre zu weit offen, Wiki würde sich durchquetschen, ich solle das Fenster lieber in Stellung 1 statt in Stellung 2 einrasten, weise ich sie daher freundlich, aber bestimmt zurecht: „Mir macht keiner was vor“, sage ich. „Ich kenne die Maße meines Wagens bis auf den letzten Millimeter. Ich habe es quasi im Blut, wo er hinten, vorne, oben, unten, rechts und links endet. Ich parke seit fünf Jahren unfallfrei damit ein, befahre Parkhäuser ohne das Dach einzudrücken und überzeuge mit sauberen 180-Grad-Kehren, die die Häuserwände unangetastet lassen.“ Dann füge ich noch hinzu: „Wiki passt niemals durch die Lücke“ und schließe das Auto ab.

Fünf Sekunden später segelt der Dude durch das Fenster, ohne rechts, links, oben und unten den Rahmen auch nur zu berühren.




Ferien mit I.

Es scheint der Urlaub der I's zu sein. VIENS ICIIIIIIIIIII und NIIII NIIII NIIII!!! Es macht mich wahnsIIINNNIIIIg! Woher unser impulsives Hundeweib die Seelenruhe nimmt, mit der sie allem im Leben begegnet (ausgenommen Hunden und Katzen), ist mir ein Rätsel. Ich werde mir ein Scheibchen davon abschneiden. Schaden kann das niiiiiiiiiie.





  

Campingplatz-Sondereinsatzkommando 
kurz vor dem Zugriff.






© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2012

1 Kommentar:

  1. Hallo, Krawallmaus, Wiki und Herrchen,
    wir freuen uns sehr, endlich wieder eine
    Eurer Provencekatrastophen zu lesen, wir hatten jede Menge Spaß dabei. Aber eine Frage hätten
    wir schon, wie soll ein deutschsprachiger Hund
    wissen, was "vien iciii! heißt, sollte er vor dem
    Urlaub vielleicht einen Sprachkurs bei der VHS
    belegen? Die Idee wäre nicht schlecht, aber kommt
    "vien iciii" auch darin vor? Fingeschnippen würde bei meine Luna auch nix nützen, sie hat mich schon bei dem Versuch, ein Clicker-Training
    zu machen, angeschaut, als hätte ich nicht alle
    Tassen im Schrank. Auf jeden Fall freuen wir
    uns beide auf ganz viele neue Abenteuer, auch
    auf die katrastophalen.
    Viele liebe Grüße
    Hilla und Luna

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