Was für ein irrwitziger Abend! Ich danke meinen 13 inneren Stimmen, ohne die dieser Wahnsinn niemals möglich gewesen wäre. Ich danke meinen großartigen Hunden, denen völlig wurscht ist, wer da gerade spricht.
Ich danke Nadin, die ein unglaubliches Talent hat, Lichter aufgehen zu lassen. Ich danke jedem einzelnen der 270 Gästinnen und Gästern. Ihr habt mich mit eurem Lachen durch den Abend getragen. Einige Punkte sind offen geblieben. Sie sollen an dieser Stelle beantwortet werden.
Erstens.
„Der Hund kam viel zu kurz. Es ging ja fast ausschließlich um den Halter!“
Dass Luna zu kurz kam, hatte mehrere Gründe. Es wäre bestimmt klug gewesen, diese am Anfang des Abends zu erwähnen.
Die Zeit war knapp bemessen. Wir hatten inklusive Pause nur drei Stunden. Davon ausgehend, dass die Mehrheit Lunas Zustände und meine Erziehungsversuche aus „Herrchenjahre“ bereits kennt, haben wir uns entschieden, diesen Teil stark abzukürzen. Zudem war der Abend die Auftaktveranstaltung zu Nadins 2-Tages-Seminar „Blind Date“, wo am Samstag und Sonntag ausschließlich die Einschätzung von Hunden das Thema war.
Hauptsächlich ging es darum, unterhaltsam aufzuzeigen, wie viele Fassetten ein Erstgespräch haben kann und wie tief gute Trainer bohren sollten, um eine aussagekräftige Basis für ihre Arbeit mit verhaltensauffälligen Hunden und Haltern zu bekommen. Oder um mit Nadin zu sprechen: „An diesem Abend ging es nicht um Lösungen, sondern um das Begreifen einer individuellen Wirklichkeit. Erst danach macht praktisches Hundetraining einen Sinn."
Zweitens.
„Glaubst du ernsthaft, dass Hundehalter bei solch tief gehenden Themen in einem Vorgespräch auspacken?“
Wer viel gelitten hat, ist zu allem bereit. Natürlich nicht vor jedem dahergelaufenen Krause. Er wird sich einen der seltenen Guten suchen, der zu ihm passt, und dann dementsprechend viel preisgeben.
Für alle, die richtig Not haben, ist es ein guter Weg. Ein ordentlicher Seelenstriptease des Halters bei der Anamnese zeigt ganz andere Möglichkeiten auf. Am Ende weiß man zweierlei: Wo steht der Halter wirklich und wo will er wirklich hin. Das ist manchmal meilenweit von der Selbsteinschätzung entfernt.
Drittens.
„Das war doch völlig überzogen. Der halbe Fragenkatalog hätte ausgereicht.“
Nein, reicht nicht. Wer nur fünf Fragen auf der Pfanne hat, wovon eine lautet: „Wie ist deine persönliche Zielsetzung?“, der landet als Trainer nicht zwingend auf der richtigen Spur.
In der Realität sieht es eher so aus: Der Trainer lamentiert lang und breit, es läge alles am Halter. Nachdem er den Sermon los geworden ist, ignoriert er konsequent dessen Persönlichkeit und zeigt ihm stattdessen Methoden und Techniken, die sich nur auf die Korrektur des Hundeverhaltens konzentrieren. Rütter lässt bisweilen sogar neue Haustürklingeln montieren. Aha!
An dieser Stelle einen herzlichen Gruß an die Trainerfraktion "Dat kriegisch in zwei Tagen alles inn Griff". Die war am Freitag offensichtlich auch da.
Viertens.
„Das wäre mir alles viel zu privat.“
Mir nicht. Es hätte noch viel privater werden können. Zum Beispiel die Frage, wie alt denn diese Stimmen eigentlich sind, die ich da höre. Natürlich haben wir vor dem Gespräch vereinbart, wo die Grenze zum wirklich Privaten liegt. Keiner von uns hat sie an diesem Abend überschritten. Alles, was gesagt wurde, war okay und kann so in der Öffentlichkeit stehen.
Fünftens.
„Warum ist dir die 13. Stimme, der Souveräne, nicht eingefallen?“
Ist das nicht unglaublich, was man manchmal für ein Selbstbild hat? Ich habe im Traum nicht an den Souveränen gedacht, meine Frau von Anfang an. Am liebsten hätte sie es in den Saal gebrüllt.
Sechstens.
„Der Dodillet hat gestört. Ich hätte gerne mehr Matthews gehört.“
Danke für den Hinweis. Wir planen das beim nächsten Mal ein.
Siebtens.
„Die Matthews hat gestört. Ich hätte gerne mehr Dodillet gehört.“
Danke für den Hinweis. Wir planen das beim nächsten Mal ein.
Achtens.
„Die Hundebegegnungen am Schluss des Abends waren viel zu eng. Die Individualdistanz eines Hundes ist zu respektieren.“
Ich habe sieben Jahre lang Lunas gewünschte Individualdistanz auf das Rücksichtsvollste respektiert. Zum Dank hat sie diese sukzessive von 2 Zentimeter auf 50 Meter ausgebaut. Irgendwann werden wir zum Gassigehen Deutschland verlassen müssen.
Das bedeutet nicht, dass sie alles ertragen muss. Anfangs schon, später werde ich sie freigeben, damit sie gar zu aufdringliche Arschschnüffler wegblasen kann. „Du darfst"-Sagen gehört auch dazu.
Sollten uns nicht im Kommando stehende Aggros attackieren, lasse ich Luna selbstverständlich sofort los. Danach tauschen wir bei einem freundlichen Pils Versicherungsdaten aus.
Neuntens.
„Beim Festhalten hat sich das Fell einen Zentimeter bewegt. Das ist tierschutzrelevant!“
Luna ist nicht so stramm in den Pelz gewachsen wie Wiki. Sie hat bei der Aktion keinen Schaden genommen. Meine Uhr hingegen schon. Als Bambam vorbeitrabte, knurrte Luna. Durch das Vibrieren ihrer Kehle auf meinem Handgelenk löste sich ein Schräubchen aus der Automatik und zog eine umfangreiche Reparatur nach sich.
Zehntens.
„Warum muss Luna das über sich ergehen lassen?“
Weil es zu mir und ihr passt. Das Festhalten meines Hundes – nicht zur Nachahmung empfohlen – ist etwas, was tief aus mir und meinem Wunsch nach Ruhe kommt. Und aus Luna! Die bietet in ihren Ausrastphasen immer wieder von selber Ruhemomente an. Ich habe sie vor Wolfis grünem Bauerhoftor einmal ausgiebig austicken lassen. Sie setzte sich zwischendurch immer wieder hin.
Elftens.
„Festhalten ist Krampf. Der Hund fühlt sich bedrängt und hat enormen Stress.“
Wir haben das auf der Hundewiese am Jaberg praktiziert. Bei der Nummer treten Effekte ein, die mir und Luna sehr gut tun.
• Wir wirken von außen wie eine ruhige Einheit und nicht mehr wie zwei tobende Wahnsinnige.
• Die Leute haben keine Angst mehr um ihren Hund.
• Sie bleiben stehen und unterhalten sich mit mir.
• Ich kann so tolle Sachen sagen wie „Sie brauchen ihren Hund nicht anleinen. Seien Sie unbesorgt, ich habe das im Griff". (Ihr ahnt nicht, wie einen sowas aufbaut.)
• Lunas Spannung baut sich von Begegnung zu Begegnung ab. Ich spüre, wie sie weicher wird. Bei manchen Hunden halte ich nur noch mit einer Hand ihren Kopf bei mir. Das ist mehr streicheln als fixieren.
• Sie macht die Erfahrung, dass ihr nichts passiert, wenn fremde Hunde ihr näher kommen. (Auf der Wiese sind in der Regel nur friedliche.)
• Sie begreift aber auch, dass ich es ums Verrecken nicht zulasse, dass sie in zwei Welpen hackt, nur weil die auf dem Weg vor ihr spielen.
Das ist in Zukunft nicht die Methode, um an anderen Hunden detonationsfrei vorbeizugehen. Es ist für den Moment einfach unsere Art, die Dynamik aus dem Konflikt rauszunehmen und mich mal seit langem wieder als verlässlichen Gesellen zu etablieren.
Elfeinhalbtens.
„Warum hast du am Schluss so schlapp im Stuhl gehangen?“
Nach drei Stunden war mein Hirn wie leergefegt.
Zwölftens.
„Wird Wiki ab jetzt in kritischen Situationen auch so rangenommen?“
Das ist ein Ding zwischen Luna und mir. Mit Wiki funktioniert das nicht. Wenn der seinen Mörderanfall von Beuteaggression hat, werde ich einen Teufel tun und ihn fest in den Arm nehmen.
Drölftens.
„Werden wir jetzt vermehrt Menschen begegnen, die auf dem Weg sitzen und ihre Hunde festhalten?“
Auf jeden Fall. Zukünftig werden alle Problemhundinhaber nicht mehr aneinander vorbeikommen, weil jeder neben seinem Hund kniet und ihn umarmt. Ein Bild der Ruhe und des Friedens. Und zu Hause brennen die Suppen an.
© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2012
Werter Author,
AntwortenLöschenmit Bedauern musste ich lesen, diesen kurzweiligen Abend versäumt zu haben. Hätte ich ihn gesäumt, so wäre ich gerne dazu bereit gewesen, mich Luna zu widmen und mich aufopferungsvoll neben ihr zu knien, während vorne ihr Herrchen mit leerem Kopf und auf dem Stuhl lümmelnd anderen Krauses Klingelaustauschratschläge erteilt.
Überhaupt finde ich das auch ein sehr schönes Bild, wenn alle in Frieden ihre Hunde umarmen würden, wenn ein Agressionsfeind näher kämte!
Ich frage mich nur, ob das auch mit bulgarischen Terroristen funktioniert, die ich vor Kurzem hier eingeschleust habe....Oder muss ich dazu gen Osten knien ? Jedenfalls ist aus der Idylle in Klein Gallien ein Chaos geworden, denn Mini ist noch nicht stubenrein (heute Nacht war die erste Nacht ohne Störfälle - yeah !) und sie ist eine Konfettimaschine, während Janka ein Schuhfetischist ist und schon 3 Paar auf dem Gewissen hat..........Aber es wird ! Das weiss ich bestimmt ! Ooooooommmmmmmmmmmmm
es ist so herrlich erfrischend geschrieben, dass ich es noch mehr bedauere diesen Zusammentreffen verpasst zu haben ;-)
AntwortenLöschentut mir leid, Rechtschreibfehler sind lachanfallbedingte Tastenverfehlungen ;-)
LöschenDas mackt nix. Das Dreckfeuhlertufelchen ist überall.
LöschenEs war ein wirklich toller Abend. Weder Matthews noch Dodillet haben gestört. Sehr lustig und lehrreich.
AntwortenLöschenAber leider viel zu kurz. Demnächst mehr Zeit einplanen oder am besten "Ende offen"
Ich hab mich nur bei den Hundebegegnungen mit Luna gefragt:
"Was würde wohl passieren, wenn ich meine Pöbel-Rüdin(Dogge-Labbi-Bouvier-Irgendwas-Mix. Also 42 kg geballte Ladung)Luna vorgestellt hätte?" Bei dem Gedanken bricht mir schon der Schweiß aus.
Aber auch wir arbeiten daran. Und vor allen Dingen spüre ich den Stimmen in meinem Kopf nach. Schon erschreckend wie viele ich bin ;-)
Liebe Krawallmaus,
AntwortenLöschengerne hätte ich auch an der Veranstaltung teil-
genommen, aber es war zeitlich nicht drin.
Das mit der Umarmung bei Fremdhundebegegnungen praktiziere
ich schon eine ganze Weile und es hat uns beiden sehr
geholfen. Außerdem scanne ich die Umgebung, um mich auf alle
Eventualitäten einstellen zu können. Kritisch wird es nur,
wenn wir den anderen Hund nicht kommen sehen können,
weil er z.B. eine Treppe hochkommt, die wir noch nicht
erreicht haben. Wenn es dann auch noch der Erzfeind
oder die Erzfeindin ist, versuche ich durch Richtungs-
wechsel auszuweichen, solange meine Luna den anderen noch
nicht erspäht hat und durch diese Richtungsänderung wird
sie erst aufmerksam und die Detonation ist nicht mehr
aufzuhalten.
Aber mittlerweile habe ich mich darauf eingestellt, daß
es nicht zu ändern ist. Selbst meine Trainerin hat gesagt,
daß der Erzfeind manchmal für immer der Erzfeind bleibt
und das habe ich akzeptiert.
Viele liebe Grüße
Hilla und Luna
Ach, welch Elend, dass wir euch erst seit vier Wochen "kennen", nur allzu gerne wären wir dabei gewesen, zumal Daldorf bei uns um die Ecke ist. Wir wohnen quasi zwischen Matthews und Grewe, der arme Hund hat kein Entkommen ;)
AntwortenLöschenIch hocke mich häufig zu ihm ab und umarme ihn, wenn Hunde oder Wild auftauchen; ich mache das eher aus Reflex. Gut zu wissen, dass es nicht so blödsinnig ist, wie ich befürchtet habe ;) Yuki bleibt dann einfach ruhiger und es ist für ihn (und mich)angenehmer als wenn ich die Leine ganz kurz nehme.
Liebe Grüße aus Schleswig-Holstein
Christina und der pubertierende Rüpel Yuki