Über das Klauen von Kaustäbchen.

Als der Rotzlöffel am dritten Tag in Folge ein Kaustäbchen aus Lunas Pranken klaut, verpasst sie ihm den Einlauf des Jahrhunderts. Danach backt Monsieur ganz kleine Brötchen.


Der Langmut, mit dem sie die ersten beiden Klauattacken zugelassen hat, ist friedensnobelpreiswürdig. Luna hat schon ganz andere Kaliber wegen weit weniger attraktiven Esswaren verdroschen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie eine quiekende, schwarzweiße Kugel aus dem Wohnzimmer in die Küche rollt, im Nacken ein mächtiges Donnergrollen und blitzende Blicke.

Für mich persönlich ein Highlight. Habe ich mich doch schon gefragt, wie lange sich unsere Diva noch von dem Jungspund auf der Nase herumtanzen lässt. Und ob man sich eigentlich wie die Axt im Walde benehmen muss, wenn man irgendwo neu einzieht? Und wieso dem Kleinen ein silberner Rallyestreifen auf der Nase wächst? Damit er noch schneller wird?

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Kommen wir zur Bilanz der ersten zehn Tage.

10

ER schraubt (!) von einer Essig(!!)flasche den Blech(!!!)deckel ab und kaut darauf herum, als wäre es ein Werther‘s Original.

9

ER vernichtet Kauknochen aus Rinderhaut schneller als Luna. Plüschige Losbuden-Gewinne werden gehäckselt. Offenbar können Terriergebisse in den Schreddermodus schalten.

8

ER klaut wie ein Rabe: Kaustäbchen aus Pfoten, Schuhe aus Regalen, BHs aus der Wäsche und Handwerker-Brötchen vom Teller. Letztere wurden von mir persönlich aufgebacken und mit Meerrettich, Mayo, Schinken, Emmentaler, Gurke, Ei und Salat sorgfältig belegt. Der Gipser durfte wohl einen kurzen, hungrigen Blick darauf werfen, dann waren die Brötchen weg.

7

ER springt mit Anlauf auf den Sessel, federt durch das offene Fenster aufs Remisendach, rutscht auf dem blanken Arsch über bemooste Dachziegel und hopst zwei Meter auf den Weg hinunter. Vor dem Sprung winkt er noch kurz. Könnte aber auch ein ausgestreckter Mittelfinger gewesen sein.

6

ER gräbt ein Riesenloch in die mühselig gepflegte, mit der Nagelschere geschnittene Golfrasenböschung.

5

ER schläft breitbeinig schnarchend auf dem Rücken. Macho! Fehlt nur noch, dass er sich am Sack kratzt und auf den Boden rotzt.

4
ER lockt die Weiber mit einer Riesenportion Charme – und Luna bläst sie weg. So gesehen laufen Begegnungen mit Hundedamen derzeit merkwürdig schizophren ab.


3
ER fädelt mit seiner Schleppleine so schnell ein, durch, drunter und drüber, dass ich Minuten brauche, um die Knoten aus der schlammigen Nylonschnur zu lösen. Dieses Vergnügen habe ich allerdings nur, wenn wir auf eine Ansammlung von mehr als drei Laternen, Pfosten, Birken oder Pfählen treffen. Es soll sich schließlich lohnen.


2
ER bewacht Luna im Haus. Setzt sich neben sie, lässt die Knopfaugen schweifen und grollt dramatisch, wenn ich mich der Holden nähere. Ich räume den Dreikäsehoch kurzerhand beiseite. Als ob mein 40-Kilo-Haudegen einen 16-Kilo-Bodyguard bräuchte!


1
WIR jagen uns gegenseitig durch die Küche. Ich mit einem Handtuch bewaffnet, er mit einem Gebiss. Ich mit dem Ziel, Lunas Jungfräulichkeit zu bewahren, er in genau gegenteiliger Absicht. Ich fluchend und handtuchklatschend, er hüpfend und jauchzend: „Au ja! Ein Zerrspiel!“

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In der Nacht nach dem Kaustäbchen-Einlauf höre ich ein zartes Tapsen. Wiki schleicht zu Luna und krabbelt vorsichtig zu ihr auf den Fatboy. Er stupst beschwichtigend an ihre Lefze. Sie brummt ungehalten, macht aber Platz. Er rollt sich neben sie und legt den Kopf auf ihren Poppes.


Beide schnuffeln weiter.
Alles ist wieder gut.







© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2010